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Titisee-Neustadt Heimatmuseum

Das zweistöckige Gebäude im englischen Stil ist Anziehungspunkt für alle, die einen Blick in die Geschichte der Wälderstadt werfen möchten. Mit viel Liebe und Sachkenntnis wird das kleine Museum von Michael Vogelbacher sowie Doris Sigwart, Karin Piwon und Erika Gundel betreut. „Aus liebe zur Heimatgeschichte“, betont Karin Piwon und verweist auf die reiche Historie ihrer Stadt.

Dass Titisee-Neustadt einiges zu bieten hat, das es nirgendwo sonst auf der Welt gibt, das steht für die Ehrenamtlichen fest. Wie zum Beispiel die Schuhleiste des Casimir Pisjakoff (Pisjak). Der „Russe der Riese“ war am 22. April 1872 in Russisch-Polen geboren worden und maß satte 2,34 Meter Körpergröße.

Für die Hochschwarzwälder war es unvorstellbar, wie ein Mensch so hoch wachsen konnte. Pisjakoffs Pech: Aufgrund des Kriegsausbruchs blieb er ab 1914 per Zufall in Neustadt hängen. Bis 1919 wohnte er zwangsgebunden in Pfeiffers Bahnhofs-Hotel. Er verstarb dort am 23. Februar. Übrig beblieben sind Zeitungsartikel über den „Riesen“ sowie eine fast 40 Zentimeter lange Schuhleiste für die Schuhgröße 62.

Sie stammte aus dem Besitz des Orthopäden und Schuhmachers Ferdinand Pfaff aus Rötenbach; dessen Witwe schenkte die Schuhleiste den Heimatstuben. Heute liegt die hölzerne Leiste zusammen mit anderen Exponaten in einer Glasvitrine im Obergeschoss.

Das kleine Museum ist ein Juwel. Nur wenige Neugierige finden den Weg hierher. Wer sich die Zeit nimmt und die kulturhistorischen Kostbarkeiten auf den beiden Stockwerken besichtigt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Denn es birgt eine Vielzahl weiterer Besonderheiten wie beispielsweise eine Sammlung alter Schwarzwalduhren.

Dabei könnten die Heimatstuben heute noch weitaus größere Schätze bergen, wenn damals die Stadtväter richtig reagiert hätten. Anfang des vorigen Jahrhunderts bestanden Bestrebungen, in Neustadt ein eigenes Heimatmuseum einzurichten. Ein Privatmann bot der Stadt seine reiche Sammlung zum Kauf an.

50.000 Reichsmark hätte sie gekostet, davon wollte das Land der Wälderstadt mit 30.000 Reichsmark unter die Arme greifen. Aber den Neustädtern war die Summe immer noch zu hoch. Heute liegen diese Hochschwarzwälder Schätze im Augustinermuseum in Freiburg sowie im Franziskanermuseum in Villingen. 1960 trieb Pfarrer Walter Göbel schließlich die Gründung des Neustädter Museums voran, bis die Stadt das Haus des Bankvorstandes Mellert in der Scheuerlenstraße kaufte.

Das Gebäude wurde von Karl Sorg gebaut, der als “Schwarzwald-Engländer” in Großbritannien zu einem stattlichen Vermögen kam.

“Schwarzwald-Engländer” nannte man jene Uhrenhändler, die jenseits des Kanals mit Uhren aus ihrer Heimat handelten und so den heimischen Betrieben die Existenz ermöglichten. Karl Sorgs Bruder, Josef Sorg, ist übrigens der Schöpfer der legendären “Sorg-Uhren”, die unter Liebhabern ganz besonders begehrt sind. Sorg war nebenbei Bürgermeister Neustadts und betrieb rund 100 Meter stadteinwärts von den Heimatstuben entfernt eine Fabrikation. Das Gebäude ist noch heute erhalten und beherbergt das Gasthaus „Zur Spritz“, eine urige Wirtschaft.

Uhrenfreunde finden in dem einst herrschaftlichen Gebäude neben den Exponaten der Sorg-Brüder eine komplett erhaltene Uhrenwerkstatt sowie zahllose bestens erhaltene Schilder-, Sonder- und sogar ein paar Kuckucksuhren. In der “Heine-Stube” finden sich Bilder des studierten Malers Karl Heine (* 1842, + 11.11.1882) sowie seines Bruders Heinrich (* 10. Juli 1839, + 1.Mai 1916). Beide begannen ihre berufliche Laufbahn als anerkannte Schilduhrenmaler.

Anreise. Heimatstuben der Stadt Titisee-Neustadt, Scheuerlenstraße 31, Stadtteil Neustadt – Im Stadtzentrum von Neustadt beim Rathaus (Münster) führt die Scheuerlenstraße bergwärts in nördliche Richtung. Die Heimatstuben befinden sich nach einigen 100 Metern auf der linken Seite. Die Öffnung des Museums wird durch ein großes Schild auf dem Gehweg kenntlich gemacht. Parkplätze kostenlos unmittelbar vor dem Museum am Straßenrand.

Der Überlieferung nach wurde die erste Schwarzwalduhr auf einem Bauernhof in dem heute zu Titisee-Neustadt gehörenden Stadtteil Waldau gefertigt. Die legendären Schottenuhren mit ihrem kleineren Schild und einem verfeinerten Uhrwerk stammen vom Neustädter Schottenhof. In nahen Hinterzarten entwickelte Jakob Herbstreit noch kleinere Uhrwerke, die berühmten Jockeleuhren, die in der Miniatusierung lediglich noch von den Sorg-Uhren übertroffen wurden.

Aber auch Liebhaber Schwarzwälder Trachten sowie einstiger Gebrauchsgegenstände wie Küchengeräte und Werkzeug kommen in den Heimatstuben auf ihre Kosten. Eine Bauernküche belegt auf eindrucksvolle Weise, wie das Leben vor über 100 Jahren aussah. Sogar eine beschauliche Spinnstube ist zu bewundern. Ausgestellt sind außerdem Original-Fotografien vom Bau der Höllental-Eisenbahn von Freiburg nach Titisee und weiter nach Neustadt.

Martin Vogelbacher ist es zu verdanken, dass kontinuierlich eine Glassammlung aufgebaut wurde. Schließlich war im Hochschwarzwald eine kunstvolle Glasproduktion beheimatet.

Das kleine, schmucke Museum wurde am 10. Mai 1968 eröffnet; weil die oberen Stockwerke noch bewohnt waren, konnte zunächst nur das Erdgeschoss genutzt werden. Inzwischen sind Exponate auf zwei Stockwerken ausgestellt. Die städtische Sammlung ist jedoch weitaus umfangreicher, als dass alle Gegenstände hier gezeigt werden könnten.

Sorg-Uhren
Die Sorg-Uhr verdankt ihren Namen dem Neustädter Uhrmacher Joseph Sorg, der diese “ungewöhnliche Uhr” (Bender) um 1830 geschaffen hat. Das besondere an diesen in aller Regel nur mit einem Gehwerk ausgestatteten Uhren: sie sind noch kleiner als die schon als zierlich geltenden Jockele-Uhren.

Joseph Sorg, so ist im Band I des Bender-Werkes nachzulesen, stammte aus einer recht angesehenen Neustädter Familie, die im damaligen Stadtgeschehen eine wichtige Rolle spielte. Der Uhrmacher Joseph Sorg war selbst Bürgermeister (1850 – 1852) und zeitweise auch Gemeinderat, Waisenrichter und Schätzungsrat. Der 1807 geborene Sorg trug zur Unterscheidung den Namen Joseph Sorg jun., denn sein älterer Stiefbruder aus erster Ehe hieß ebenfalls Joseph. Wahrscheinlich erlernte er das Uhrmacherhandwerk von seinem Vater. Von seinem Elternhaus, der “Sonne”, schreibt Bender, zog Joseph Sorg in das sogenannte “Spritzenhäusle” und begann dort eine eigene Werkstatt einzurichten. In ihr entstanden die kleinsten Pendeluhren des Schwarzwaldes, die nach ihm benannten Sorg-Ührchen. Neben diesen Winzlingen – Originale sind heute sehr begehrt – stellte Sorg auch Uhren normaler Größe her.

Die für damalige Verhältnisse winzigen Uhren sind meist nur mit einem Gehwerk ausgestattet. Selbstverständlich bauten später auch andere Uhrmacher diese “Minis” nach, doch nur Originale mit dem Insignien J.S. in der Schildbekrönung zählen zu den Raritäten, die eine Sammlung erst wertvoll machen. Joseph Sorg starb am 27. November 1872 im Aller von 65 Jahren.

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